Forschung


Theoretische Forschung zu den Begründungsformen einer „Erziehung nach Auschwitz“ in der Gegenwart

Forschung zum Themenfeld „Erziehung nach Auschwitz“ tangiert zum einen die Frage, wie Adornos berühmte Forderung, „dass Auschwitz
nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung“ heute, knapp 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und über 60 Jahre nach der Erstausstrahlung von Adornos Radiovortrag, zeitgemäß gelesen und begründet werden kann. Vielfältige Veränderungen der Gegenwart fordern die Vermittlung der NS-Geschichte in Kultur und Pädagogik in einer neuen Weise heraus. Der Generationenwechsel und eine plurale Bevölkerung, das Sterben der Zeitzeug:innen, die Medialisierung und Transnationalisierung der Holocaust-Erinnerung, postkoloniale Konstellationen und nicht zuletzt ein Wiedererstarken rechtsradikaler und antisemitischer Gesinnungen fordern eine diskursive Beschäftigung mit den theoretischen Grundlagen historisch-politischer Bildung in Deutschland. Es sind diese grundlagentheoretischen Fragen, die einen wichtigen Gegenstand erziehungswissenschaftlicher Forschung darstellen. 

Bildungshistorische Forschung über das Erziehungssystem und seine Pädagogik im Nationalsozialismus 

Wenn, wie es der Erziehungswissenschaftlicher Micha Brumlik (1995) formuliert, eine „Erziehung nach Auschwitz“ immer auch eine Erziehung ist, „die Auschwitz zum Thema hat”, gehört es zweitens zu einer zentralen Aufgabe der Erziehungswissenschaft, wissenschaftlich über die Pädagogik im Nationalsozialismus und ihre Nachwirkungen aufzuklären. Die Grundlagen hierfür liefern Befunde zur bildungsgeschichtlichen Erforschung des Erziehungssystems und seiner Pädagogik im Nationalsozialismus. Die Erforschung der nationalsozialistischen Pädagogik ausweislich ihrer spezifischen Semantik, ihrer Institutionalisierungsformen und ihrer Sozialisationseffekte ist in mehrfacher Hinsicht erziehungswissenschaftlich relevant. Sie ermöglicht nicht nur eine breite erziehungswissenschaftliche Aufklärung über das Verhältnis von Politik, Erziehung und Erziehungswissenschaft im Nationalsozialismus. Ihr Fokus liegt auch auf den Nachwirkungen des Nationalsozialismus in den Erziehungssystemen und der akademischen Pädagogik in den beiden Nachfolgestaaten des Dritten Reiches.  

Empirische Forschung zu den Programmatiken und Vermittlungspraktiken einer „Erziehung nach Auschwitz“

Drittens stellt sich erziehungswissenschaftlich die Frage, wie, d.h.  unter welchen programmatischen und institutionellen Rahmenbedingungen die NS-Geschichte in der Schule und an außerschulischen Lernorten in-actu vermittelt wird. Erziehungswissenschaftlich von Interesse ist, wie sich die Vermittlungspraxis angesichts der aktuellen erinnerungskulturellen Dynamiken und Konflikte konkret vollzieht und vor welchen Herausforderungen Lehrer:innen und Pädagog:innen stehen, wenn das Thema explizit, z.B. im Geschichtsunterricht oder in Gedenkstätten vermittelt wird oder erinnerungspolitische Kontroversen ungeplant in pädagogischen settings zum Gesprächsthema werden. Ebenfalls zu den Aufgaben erziehungswissenschaftlicher Forschungen gehören Untersuchungen zu den Programmatiken/Reflexionsformen und Vermittlungspraktiken einer „Erziehung nach Auschwitz“ bzw. „Holocaust-Education“ im internationalen Vergleich.

Aktuelle Forschungs- und Lehrprojekte:

Projekt: „Lehr- und Forschungsforum „Erziehung nach Auschwitz“ (LuF)


Projekt: „Forschendes Lernen im Kontext historisch-politischer Bildung“


Projekt: „Rassismuskritische Bildung und Antisemitismusprävention in der Lehrkräftebildung“


Dissertationen und Abschlussarbeiten

Projekt: „Lehr- und Forschungsforum „Erziehung nach Auschwitz“ (LuF)

Das Projekt fördert für drei Jahre die Etablierung des Lehr- und Forschungsforums „Erziehung nach Auschwitz“ an der Goethe Universität auf den folgenden Ebenen:

  • Die von Benjamin Ortmeyer erarbeitete Materialsammlung der ehemaligen Forschungsstelle NS-Pädagogik wird thematisch ausgebaut und in enger Kooperation mit der jüdischen Akademie in Frankfurt zu einem öffentlichen Ort der historisch-politischen Bildung in Frankfurt entwickelt. Die Sammlung wird fachlich neu sortiert. Lücken im Bestand sollen durch gezielte Literaturanschaffungen ergänzt, der umfangreiche digitale Bestand erweitert, rechtssicher verwahrt und öffentlich zugänglich gemacht werden.
  • In enger Kooperation mit der Jüdische Akademie werden Vermittlungskonzepte der historisch-politischer Bildung für Studierende, Schulklassen und Multiplikator:innen entwickelt und Tagungen und Vortragsreihen zu aktuellen Herausforderungen einer „Erziehung nach Auschwitz“ in der Gegenwart sowie zu jüdischem Lebens in Deutschland veranstaltet.
  • In einem Pilotprojekt werden die aktuellen Herausforderungen der Vermittlung der NS-Geschichte und die historisch-politische Bildung unter veränderlichen erinnerungskulturellen Bedingungen steht (Generationenwechsel und Migration/Flucht, Sterben der Zeitzeug:innen, Medialisierung und Transnationalisierung der Holocaust-Erinnerung, postkoloniale Konstellationen)

Förderung: Georg und Franziska Speyer’sche Hochschulstiftung.
Laufzeit 2022-2025
Fördersumme: € 75.000.


Projekt: „Forschendes Lernen im Kontext historisch-politischer Bildung“


Das Projekt zielt darauf ab, Studierenden des Hauptfachs Erziehungswissenschaften und des Lehramts einen fachlichen und organisatorischen Orientierungsrahmen für die Konzeptionierung von Seminar- und Abschlussarbeiten in den Themenfeldern „historisch-politische Bildung“, „Erziehung nach Auschwitz“ und „Erinnerungskultur“ bereitzustellen. Dieses Konzept für ein forschendes Lernen soll in den aktuellen Forschungsstand zu den genannten Themen-feldern einführen, unterschiedliche Forschungszugänge (historisch, theoretisch, empirisch) sowie ihre methodischen Verfahren vorstellen und problem- und fallorientiert dazu anleiten, Fragestellungen für die eigene Abschlussarbeit zu entwickeln.

Förderung; Goethe-Universität: Mittel zur Verbesserung der Qualität der Studienbedingungen und der Lehre (QSL)
Laufzeit 2022-2023
Fördersumme: € 9.000,00

Hier können Sie den Leitfaden herunterladen


Projekt: „Rassismuskritische Bildung und Antisemitismusprävention in der Lehrkräftebildung“

Das Lehr- und Forschungsforum ‚Erziehung nach Auschwitz‘ versteht sich dem Verständnis universitärer Bildung entsprechend auch als Ort für Professionalisierung angehender Pädagog:innen und Lehrkräfte. Wenn ‚Erziehung nach Auschwitz‘ Herausforderungen für die in der Praxis Tätigen mit sich bringt, gilt dies auch für ein Lehramtsstudium ‚nach Auschwitz‘.

Daher zielt das Projekt zum einen darauf ab, zum Zweck der Prävention antisemitismus- und rassismuskritische Bildung stärker in der Lehrkräftebildung der Goethe-Universität zu verankern. Zum anderen zielt es darauf, dabei die Vermittlung von Wissen und die Reflexion über die judenfeindlichen und rassistischen Verbrechen und Ideologie der NS-Zeit zu verstärken. Dies beinhaltet im Besonderen Wissen und Reflexion über Prämissen und Handeln in der eigenen Disziplin und in für Lehrkräfte und Pädagog:innen relevanten Berufen während der NS-Zeit. Um die weltanschauliche Erziehung und Indoktrinierung von Kindern und Jugendlichen, gerade in der Schule, geht es dabei besonders.

In der Lehre des Fachbereichs Erziehungswissenschaften für den bildungswissenschaftlichen Teil des Lehramtsstudiums werden innovative Lehrformate entwickelt und erprobt. Ein Teil werden dabei Quellen als Arbeitsmaterialien für ‚forschendes Lernen‘ sein. Des Weiteren gehört dazu die Vernetzung zwecks Einbeziehen von Initiativen der außer-/schulischen historisch-politischen Bildung und anderen Orten des Lernens in innovative Lehrformate. Nicht zuletzt sollen durch das Zusammenkommen mit Praxis und Praktiker:innen für die Studierenden auch weitere Praxisbezüge hergestellt werden.

Hinzu kommt, thematisch einschlägige Tagungen / Workshops zu veranstalten, die hochschulweit und darüber hinaus offen sind und gerade Studierende und Lehrende gemeinsam ansprechen sollen. Dabei werden fachbereichs- und hochschulinterne sowie -externe Forschende eingeladen, zu diskutieren und ihre aktuellen Ergebnisse zu referieren. Ziel ist es, die Lehre ein Stück näher an die Forschung zu bringen – und an beide einige aktuelle gesellschaftlich/medial diskutierte Fragen und Probleme heranzutragen. Damit soll also die Forschungsnähe der Lehre verstärkt werden.

Förderung; Goethe-Universität: Mittel zur Verbesserung der Qualität der Studienbedingungen und der Lehre (QSL)
Laufzeit 2023-2024
Fördersumme: € 69.000,00.


Dissertationen


Jonas Riepenhausen
„Das Deutsche Mädel“ – Feindbilder, Selbstbilder, Geschlechterkonstruktionen in der Mitgliederzeitschrift des BDM 1933-1944. Ein Beitrag zur Analyse der BDM-Erziehung.
(abgeschlossen: 2023)

Susanne Thimm
Neue Form, Neuer Mensch, Neue Gesellschaft? – Zu den (impliziten) Erziehungsvorstellungen- und Idealen in Architektur und Gesellschaft als Bewältigungsstrategien der Krisen der Moderne (Arbeitstitel)

Eine Liste der Themen von Abschlussarbeiten Studierende finden Sie hier.


Weitere Forschung zum Themenfeld am Fachbereic

Interdisziplinäres Verbundprojekt „Antisemitismus in pädagogischen Kontexten – Religiös codierte Differenzkonstruktionen in der frühen und mittleren Kindheit (RelcoDiff)“

unter Leitung von Dr. Benjamin Rensch-Kruse (Nachfolge: Prof. Dr. Isabell Diehm †) in Kooperation mit dem Institut für die Geschichte der deutschen Juden (IGdJ), der Akademie der Weltreligionen (AWR) Universität Hamburg und der Bildungsstätte Anne Frank e.V., Vollantragstellung im Rahmen der Förderlinie „Aktuelle Dynamiken und Herausforderungen des Antisemitismus“ des BMBF ist abgeschlossen; voraussichtlicher Beginn: 1.10.2021